Heinz Rudolf Kunze - Wozu Feinde

Man sagt nicht was man tut
man tut nicht was man sagt
man meidet was man liebt
man fürchtet was man wagt

Man bricht was man verspricht
behält was man verrät
man nimmt es wie es kommt
gewöhnlich kommts zu spät

Wozu Feinde
wenn man sich selber hat
wozu Feinde
man hat sich selber satt

Man bockspringt über Schatten
man steckt in seiner Haut
man rechnet mit dem Schlimmsten
man küßt die Schleierbraut

Ihr Atem schmeckt nach Erde
ihr Auge bleibt verhüllt
ihr Ja haucht fast unhörbar
ihr Auftrag ist erfüllt

Deine Freunde
sind tausend Mauern weit
deine Freunde
sind nicht mehr kampfbereit

Es steht mir frei
euren Regeln und Ausnahmen
nicht mehr zu folgen
frei wie der Fall
von den gleißenden Türmen
auf euren Asphalt
Ihr führt die Würde
des Menschen im Mund
und ganz andres im Schilde
ihr schlaft im stehen mit Medusa
und haucht mir das Blut bitterkalt

Man sagt nicht was man tut
man tut nicht was man sagt
man meidet was man liebt
man fürchtet was man wagt

Wozu Feinde
wenn man sich selber hat
wozu Feinde
man hat sich selber satt

Wozu Feinde
wozu Feinde
wenn man sich selber hat
wenn man sich selber hat